News: Zur Wiesbadener Biennale wird das Staatstheater radikal zweckentfremdet
Supermarkt und Autokino im Theater
Stand: Juli 2018
Was ist da im Hessischen Staatstheater Wiesbaden los? Im Foyer hat eine Supermarktkette eine neue Filiale eröffnet und über eine riesige Holzrampe wird ein ganzer Fuhrpark an Oldtimern ins Große Haus befördert...
WIESBADEN - Verkehrte Welt? Ungläubig erledigen die Wiesbadener am Donnerstagnachmittag ihre Einkäufe im neu eröffneten Supermarkt. An sich nichts ungewöhnliches, wäre die Neueröffnung nicht im Foyer des altehrwürdigen Hessischen Staatstheaters! Und als wären Brot, Wurst und Tiefkühlwaren vor neobarocker Kulisse noch nicht verstörend genug, verschieben sich auch im Großen Haus die Vorzeichen.
Zuschauer werden ab heute von der Bühne aus ins Auditorium blicken. Statt Plüschsessel dienen Oldtimer als Sitzgelegenheiten und nicht Verdis "Rigoletto" wird die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen, sondern Hollywoodklassiker wie "Pretty Woman" oder "Fear And Loathing In Las Vegas". Der Theatersaal wurde kurzerhand zum Autokino umfunktioniert. In der ersten Reihe nimmt man hier wahlweise in einem VW Käfer, einem Jeep oder einem Porsche platz und im Zuschauerraum schwebt eine riesige Leinwand.
Was ist da los? Ganz einfach, die zweite Wiesbadener Biennale. Vom 23. August bis zum 2. September 2018 findet sie dieses Jahr unter dem Motto "Bad News" statt. Elf Tage lang präsentieren sich Künstler an verschiedenen Orten der Stadt. Die surreale Atmosphäre im Staatstheater, dem zentrane Punkt Wiesbadens, ist dabei natürlich genau so gewollt. Die Kuratoren Maria Magdalena Ludewig und Martin Hammer wollen mit ihrem Konzept bewusst verstören und Fragen aufwerfen: "Wie gehen wir damit um, dass die Dinge, die uns eigentlich immer undenkbar erschienen, passieren können?", fragt Ludewig. "Dass der Konsens, der über Jahrhunderte galt, nicht mehr selbstverständlich ist?"
Die Umsetzung gestaltete sich schwierig. Über eine eigens gebaute gigantische Holzrampe, die später zum Holzhaus recycelt werden soll, werden die 29 privaten Oldtimer vom Warmen Damm aus ins Theater chauffiert. Fünf davon gehören dem Wiesbadener Optiker Donald Gabrich. Aufgrund von Brandschutzauflagen müssen vorher Benzin und Öl aus den Fahrzeugen entfernt und Batterien abgeklemmt werden. Ohne kräftige Zuschüsse von Stadt und Land wäre die Biennale nicht zu stemmen gewesen. Der Gesamtetat beläuft sich auf 1,5 Millionen Euro.
Schon der erste Tag macht allerdings deutlich, dass sich der Aufwand lohnt. Es findet sich kaum jemand unter den zahlreichen Besuchern, der sich nicht von der irritierenden Atmosphäre verzaubern lässt.
Fotogalerie
Wir waren bei der Eröffnung der Biennale für Euch dabei...
Fotos und Text: Christian Düringer